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Experteninterview: Fütterung von Milchkühen im Jahr 2023 und darüber hinaus

Experteninterview: Fütterung von Milchkühen im Jahr 2023 und darüber hinaus

Trevor DeVries, Professor an der University of Guelph (Kanada)

Bei der Fütterung von Kühen geht es vor allem um den Pansen. Doch was macht einen gesunden Pansen aus?

Ein gesunder Pansen ermöglicht der Kuh eine hohe Trockenmasseaufnahme und sorgt gleichzeitig für eine stabile Mikrobenpopulation und damit für eine effiziente Verdauung des aufgenommenen Futters. In der Milchkuhfütterung wollen wir große Schwankungen in der Säureakkumulation im Pansen vermeiden, denn ein niedriger pH-Wert wirkt sich negativ auf die Pansenmikroben und die Integrität der Pansenwand aus. Dies kann zu verringertem Milchfettgehalt und reduzierter Verdauungseffizienz führen.
Ein ungesunder Pansen führt zu ungleich-mäßiger Futteraufnahme, mikrobiellen Veränderungen, schlechterer Effizienz usw. Daraus entsteht oft ein Teufelskreis. Das wichtigste Stichwort ist daher: Ausgewogenheit.
Dabei spielt natürlich das Futter, das die Kühe erhalten, eine wichtige Rolle. Allerdings wissen wir auch, dass sich das Fütterungs- bzw. Fressverhalten auf die Pansenfunktion und -gesundheit auswirkt und daher genauso zu berücksichtigen ist.

Können Sie erklären, warum das Fressverhalten wichtig ist?

Professor Trevor DeVries was one of the speakers at the technical event ‘Feeding dairy cows in 2023, the latest updates: welfare and precision feedingFrom left to right: Nicolaas Vreeburg, DVM, Lallemand Animal Nutrition, Trevor DeVries, Bertjan Westerlaan, DVM, Vetvice, Netherlands, and Laurent Dussert, Global Category Manager, Lallemand Animal Nutrition

Professor Trevor DeVries war einer der Redner beim Event ‘Feeding dairy cows in 2023, the latest updates: welfare and precision feeding – Von links nach rechts: Nicolaas Vreeburg, DVM, Lallemand Animal Nutrition, Trevor DeVries, Bertjan Westerlaan, DVM, Vetvice, Netherlands, und Laurent Dussert, Global Category Manager, Lallemand Animal Nutrition

Wir wissen, dass das Fressverhalten untrennbar mit der Trockenmasseaufnahme (TMA) verbunden ist, die sich wiederum direkt auf die Milchproduktion auswirkt. Wenn wir die TMA also erhöhen wollen, müssen wir uns mit dem Fressverhalten der Kuh befassen, z. B. mit dem Zeitpunkt der Fütterungen und der Größe der Rationen. Wenn wir dies besser in den Griff bekommen, können wir die Produktion verbessern.
Auch das Verhalten der Kuh nach der jeder Fütterung sollte beachtet werden. Es ist wichtig, dass die Kühe die Zeit und den Raum haben, sich bequem hinzulegen und wiederzukäuen. Das Wiederkäuen, vor allem im Liegen, ist ebenfalls mit einer höheren TMA bei Kühen verbunden.
Kleine Anpassungen des Fressverhaltens über das Futter, die Unterbringung und das Management können eine große Wirkung haben.

Wie gut gelingt es uns, die Präzisionsfütterung bei Milchkühen umzusetzen?

Bei der Präzisionsfütterung geht es darum, die richtigen Nährstoffe zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Tiere zu verfüttern. Und das kann bei Milchkühen immer noch eine Herausforderung sein. Das ideale Szenario ist, jeder einzelnen Kuh ein maßgeschneidertes Futter zu geben, das perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Bis zu einem gewissen Grad können wir dies erreichen, indem wir das Futter individuell ergänzen (z. B. in einem Melkroboter) und/oder indem wir Gruppen je nach Laktationsstadium und Milchproduktionsniveau bilden. Auf diese Weise verhindern wir eine Unter- oder Überfütterung der Kühe und können kosten- und futtereffizienzsteigernd arbeiten.

Die Fütterung spezifischer Gruppen ist bereits ein großer Fortschritt in der Präzisionsfütterung und eine gängige Praxis in großen Betrieben. Die Fütterung jeder einzelnen Kuh mit einem angepassten, spezifischen Futter hat in der Praxis ihre Tücken. Ich sehe ein großes Potenzial im Einsatz von Technologien wie Sensoren zur Verbesserung der Präzisionsfütterung von Milchkühen. Die Messung der Fress- und Wiederkäuzeiten von Kühen liefert uns mehr Daten und Erkenntnisse über die Rolle des Fressverhaltens und ermöglicht es uns, die Fütterung, aber auch das Fütterungsmanagement anzupassen oder z. B. die Besatzdichte kritisch zu betrachten. Einen besseren Überblick über diätetische und nicht-diätetische Faktoren zu bekommen, ist ein wichtiger Teil der Präzisionsernährung von Milchkühen.

Bestimmte Futtermittelzusatzstoffe sind ebenfalls ein entscheidender Bestandteil des Konzepts der Präzisionsernährung, insbesondere wenn sie den richtigen Tieren zur richtigen Zeit verabreicht werden. Bei Milchkühen können Futtermittelzusatzstoffe – wie Hefezusätze – unter anderem dazu beitragen, die Pansenfunktion zu stabilisieren, das Wiederkäuen zu fördern und den Milchfettanteil zu erhöhen. In den kommenden Jahren wird sich die Kunst der Präzisionsfütterung von Milchkühen meiner Meinung nach weiterentwickeln und wachsen. Es ist ein spannendes Arbeitsgebiet.

Professor Trevor DeVries war einer der Redner auf der Fachveranstaltung „Feeding dairy cows in 2023, the latest updates: welfare and precision feeding“, die von Lallemand Animal Nutrition am 9. und 10. November 2022 in Wageningen, Niederlande, organisiert wurde.

Veröffentlicht May 18, 2023 | Aktualisiert Jun 1, 2023

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