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Vom Pansen zur Milchdrüse – Der Einfluss des Pansenmikrobioms auf Milchleistung und Eutergesundheit

Vom Pansen zur Milchdrüse – Der Einfluss des Pansenmikrobioms auf Milchleistung und Eutergesundheit

In den letzten zehn Jahren wurden enorme Forschungsanstrengungen unternommen, um das Mikrobiom des Darms bei Mensch und Tier zu verstehen. Wir haben gelernt, dass die gastrointestinale Mikrobiota eine Schlüsselrolle für die Verdauungsfunktion und auch für andere Funktionen wie Immunität, Stoffwechsel und Verhalten spielt.

Was im Pansen passiert, kann weitreichende Auswirkungen haben

Eine wichtige Erkenntnis dieser Forschung ist, dass sich die Vorgänge im Pansen kaskadenartig auf die Magen-Darm-Funktion, den Stoffwechselstatus, die Leberfunktion, die Immunreaktion und die Milchdrüse auswirken können. Diese Wechselwirkung wird durch Störungen veranschaulicht, die im Pansen beginnen und messbare Auswirkungen z. B. auf die Milchproduktion in der Laktation haben können. Die subakute Pansenazidose (SARA) und ihre Folgen sind hierfür ein gutes Beispiel.

Mikrobielle Veränderungen im Pansen während SARA

Es ist bekannt, dass Futtermittel, die reich an leicht fermentierbaren Kohlenhydraten (NFC, Stärke oder Zucker) sind, die Zusammensetzung und Vielfalt der mikrobiellen Gemeinschaft im Pansen und deren Funktionen verändern. Dies führt wiederum zu einer Veränderung des Fermentationsprofils und einem Absinken des Pansen-pH-Wertes, der für SARA charakteristisch ist. Ein niedriger Pansen-pH-Wert über einen längeren Zeitraum kann sich negativ auf die Futteraufnahme, den mikrobiellen Stoffwechsel und die Futtereffizienz auswirken, da er faserabbauende Gemeinschaften hemmt (Villot et al., 2018).

Vom Pansen zu entzündlichen Prozessen im Körper: die Rolle der Bakterien

Es ist bekannt, dass SARA die Freisetzung großer Mengen von zellfreiem Lipopolysaccharid (LPS) in den Blutkreislauf auslöst (Plaizier et al., 2012). LPS ist ein Bestandteil bakterieller Strukturen, der hauptsächlich beim Absterben von Bakterien freigesetzt wird. Es hat sich gezeigt, dass dieser Bestandteil Entzündungsmuster auf der Ebene der Pansenwand auslöst. Bedingungen (Futtermittel, Rationszusammensetzung, Management), die Pansenazidosen begünstigen, können das Absterben von Bakterien auslösen und auch die Umsatzrate von Bakterien erhöhen, was zu einem starken Anstieg von LPS im Pansen führt. Neben LPS können während einer SARA auch andere Entzündungsstoffe wie z. B. Histamin im Pansen freigesetzt werden. Histamin wird von Bakterien produziert, die einen niedrigen pH-Wert tolerieren (Garner et al., 2002), und kann sich im Falle einer akuten Azidose anreichern (Golder et al., 2013, 2014; Silberberg et al., 2013).

Ein hoher Anteil schnell fermentierbarer Kohlenhydrate fördert die Produktion flüchtiger Fettsäuren (VFA), die eine wichtige Energiequelle für das Tier darstellen. Schnell vergärbare Kohlenhydrate erhöhen jedoch auch die Produktion schädlicher Milchsäure (Laktat), die sich im Pansen ansammeln kann. Diese hohen Säurekonzentrationen wirken sich schädlich auf die Pansenwand aus und führen zur Schädigung der Papillen und zur Zerstörung der Pansenwand, sowie zu einer insgesamt erhöhten Durchlässigkeit. Es wird von der reduzierten Pansenwandintegrität gesprochen.

Aufgrund dieser Durchlässigkeit der Pansenwand können Entzündungsmoleküle wie LPS und Histamin leicht vom Pansen in den Blutkreislauf gelangen und eine systemische Entzündung auslösen, die mit einem höheren Glukosebedarf (Kent-Dennis und Penner, 2021) und einem erhöhten Energiebedarf einhergeht. Durch die vom Tier ausgelöste Entzündungsreaktion werden Nährstoffe abgezweigt, die für die Synthese von Milchbestandteilen wichtig sind (Dong et al., 2011). Histamin kann auch Entzündungen im Klauenbereich (Wandläsionen) auslösen und Hufrehe verursachen (Garner et al., 2002).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ungünstige Pansenbedingungen, z. B. bei einer SARA, zur Bildung einer Vielzahl toxischer Verbindungen im Pansen führen können. Die schädlichen Auswirkungen werden auch außerhalb des Pansens beobachtet.

Welche Auswirkungen hat dies auf die Gesundheit der Milchdrüsen und die Leistungsparameter?

Neben der Verringerung der Energie, die für die Aufrechterhaltung des Körpers und die Synthese von Milchinhaltsstoffen zur Verfügung steht, wirkt sich das Vorhandensein von toxischen Verbindungen im Blutkreislauf auf die Immunreaktion und die Entzündung im Euter aus.

LPS kann über die Blutbahn zur Milchdrüse transportiert werden (Dong et al., 2011, Zhang et al. 2016) und dringt in die Milchdrüse ein, was eine lokale Immunreaktion auslöst (Aditya et al., 2020). Diese Immunreaktion kann die Immunabwehr der Zitze beeinträchtigen und sogar ihre Barrierefunktion zerstören (Dong et al., 2011), was die Anfälligkeit des Tieres für das Eindringen von Bakterien erhöht und das Risiko einer Mastitis steigert.

Es wurde festgestellt, dass eine Entzündungsreaktion im Euter mit einer Verringerung des Milcheiweißgehalts verbunden ist (Zhang et al., 2016). Ähnliche Beobachtungen wurden mit Histamin gemacht (Chang et al., 2018). Darüber hinaus wird vermutet, dass SARA nicht nur die Mikrobiota des Pansens und des unteren Darms beeinflusst, sondern auch die Mikrobiologie der Milch (Zhang et al. 2015).

Infolgedessen können ungünstige Pansenbedingungen die Erhaltung der Körperkondition und die Milchproduktion beeinträchtigen. Dies ist auf eine Veränderung der mikrobiellen Fermentation und auch auf die Auswirkungen von beispielsweise SARA auf Entzündungen und Immunreaktionen zurückzuführen, die außerhalb des Pansens beobachtet werden können.

Kurz und bündig

  1. Die Bedingungen im Pansen können Funktionen außerhalb des Verdauungssystems beeinflussen.
  2. Die subakute Pansenazidose (SARA) steht im Zusammenhang mit Veränderungen der mikrobiellen Populationen und Fermentationen.
  3. Diese mikrobiellen Populationsverschiebungen können für die Freisetzung toxischer Verbindungen wie LPS oder Histamin sowie für die Überproduktion organischer Säuren verantwortlich sein, die aggressiv auf die Pansenwand wirken können.
  4. Die toxischen Verbindungen aktivieren Entzündungs- und Immunreaktionen auf der Ebene des Pansenepithels, wirken sich aber auch auf das gesamte Tier aus, da diese Moleküle in den Blutkreislauf des Tieres gelangen.
  5. LPS-Moleküle, die aus dem Verdauungstrakt stammen, wurden auch in der Milchdrüse gefunden und lösen Immun- und Entzündungsreaktionen im Euter aus.
  6. Am Euter können diese Reaktionen die Immunabwehr der Zitze beeinträchtigen und die Milchproteinproduktion verringern.
  7. Entzündungs- und Immunreaktionen verbrauchen Energie, die nicht für wichtige physiologische Bedürfnisse wie die Aufrechterhaltung des Körpergewichts oder die Milchproduktion verwendet werden kann.
  8. Die Vorbeugung von SARA durch die Unterstützung eines optimierten Gleichgewichts und einer optimierten Funktion der Pansenmikrobiota hilft, diese schädlichen Auswirkungen zu verringern.
  9. Hier sind neben einer Rationsoptimierung vor allem Managementmaßnahmen (Fütterungsfrequenz, Futterqualität, Mischgenauigkeit, Kuhkomfort etc.) kritisch zu hinterfragen.

 

Bei allen Fragen zur Pansen- und Eutergesundheit stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Bitte sprechen Sie uns an: animalgermany@lallemand.com

Referenzen auf Anfrage.

Veröffentlicht Jan 26, 2022 | Aktualisiert Jun 1, 2023

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